Wenn ich an einen bestimmten Abschnitt der Leidensgeschichte dachte, stellte ich ihn mir innerlich vor, obwohl ich die meiste Zeit mit dem Lesen guter Bücher verbrachte, wo meine ganze Erholung bestand. Denn Gott hat mir weder Talent zum diskursiven Nachdenken mit dem Verstand verliehen, noch die Begabung, mich meiner Vorstellungskraft zu bedienen, denn die ist bei mir so unbeholfen, dass ich es nie fertiggebracht habe, an die Menschheit des Herrn zu denken und sie mir innerlich vorzustellen, wie ich das versuchte. Auch wenn man auf diesem Weg, nämlich mit dem Verstand nicht arbeiten zu können, schneller zur Kontemplation gelangt sofern man durchhält, ist das doch mühsamer und qualvoller, denn wenn es Wille und Empfinden an Beschäftigung und der Liebe an etwas Konkretem fehlt, womit sie sich beschäftigen nag, bleibt die Seele gleichsam ohne Stütze und Beschäftigung, und folglich setzen ihr die Einsamkeit und Trockenheit sehr zu, und die Gedanken liefern ihr schwere Kämpfe.
(Das Buch meines Lebens)